Interview mit Christian „Chrigel“ Glanzmann von Eluveitie

Wir haben gerade ein tolles Konzert von Eluveitie im Naturhistorischen Museum in Bern gehört. Ihr habt eine kleine Trophäe verliehen bekommen und zwar ist ein Fossil nach euch benannt worden. Es handelt sich um einen Seeigel. Was bedeutet das für euch?

Ich werde immer wieder gefragt, was uns Awards bedeuteten und sag‘ immer, dass es uns freut und eine Art Support ist aber sie bedeuten uns nicht wirklich viel, weil das nicht der Grund ist, weshalb wir Musik machen. Das Fossil ist kein Preis, was man verliehen bekommt, sondern ein Ausdruck einer einzelnen Persönlichkeit, da der Paläontologe, der den Seeigel entdeckt hat, uns damit quasi eine persönliche Widmung hinterlassen hat.
Ich habe es heute Abend überlegt, dass es ja kein Preis ist sondern eine Spezies, die für alle Ewigkeit unseren Namen tragen wird, auch in 300 Jahren noch. Für mich ist das etwas ganz besonderes, mir bleibt die Spucke weg und finde es sehr schön und beeindruckend.

Ihr bewegt euch ja ein bisschen in der keltischen Kultur bezüglich der Texte. Was sind denn die Themen der Texte?

Grundsätzlich muss ich sagen, dass wir uns da nicht nur ein bisschen drinnen bewegen sondern es alles ist, was wir machen. Eluveitie ist keltische Kultur und Geschichte, bei Eluveitie dreht sich alles darum.
Die Texte beinhalten alles, was so in der keltischen Kultur vorkommt. Unser vorletztes Album war ein Konzeptalbum, das die Geschichte der gallischen Krieger erzählte und wir versuchen auch mit Wissenschaftlern zusammen den keltischen Gesichtspunkt wahrheitsgetreu zu erzählen.
Das letzte Album Origins zum Beispiel dreht sich um keltische Mythologie, im konkreten über Herkunfts- und Ursprungssagen. Origins vertont diese Geschichten von A bis Z und ist das, womit wir uns beschäftigen. Wir betreiben das auf einem sehr fundierten Level, da man es der Geschichte schuldig ist, sich mit ihr akkurat auseinanderzusetzen. Ich arbeite seit Tag 1, also seitdem ich Eluveitie gründete, mit Wissenschaftlern zusammen, mit der Zeit entwickeln sich Freundschaften und heute habe ich ein Netzwerk über ganz Europa von Unis und Wissenschaftlern, mit denen ich gemeinsam an Sachen von Eluveitie arbeite. Das ist ziemlich cool! Origins war lyrisch das bisher aufwendigste Album von Eluveitie, es basiert, wenn man es so sagen will, zu 100% auf der Wissenschaft, deswegen sind die Texte selbst für Keltenforscher spannend zu lesen.

Was ist das Faszinierende an der keltischen Kultur für euch?

Ich kann nur von mir reden. Ich finde, dass es eine spannende Kultur war. Unterm Strich ist sie quasi meine Kultur, zumindest über Umwege. Ich glaube, es hat etwas mit der Suche nach seinen Wurzeln zu tun, weshalb ich mit der ganzen Sache begann. Da wir eine Schweizer Band sind, macht es ja Sinn, über die gallische Kultur zu singen.

Du hast ja gesagt, ihr arbeitet sehr auf wissenschaftlicher Basis, sind die Texte Originale? Wenn ja, wie kommt ihr daran oder sind das Nachempfindungen oder wie kann ich mir das vorstellen?

Die Texte sind ganz normale Songtexte wie alle anderen auch. Die meisten Texte singen wir in Englisch, manche auch mal in Gallisch, eben die Sprache, die vor einigen tausend Jahren in fast allen keltischen Gebieten gesprochen wurde. Gemeinsam mit Wissenschaftlern werden dann manche Texte ins Gallische übertragen. Wir haben mal ein akustisches Album gemacht, da war das komplette Album in gallisch. Es waren originale Texte, die wirklich vor tausenden Jahren verfasst und bei archäologischen Ausgrabungen gefunden wurden.

Kommen wir mal zur Musik. Heute haben wir ja ein kleines akustisches Konzert erleben dürfen. Wenn ihr auf den großen Festivalbühnen steht, kombiniert ihr zwei Musikelemente, die man sich auf dem ersten Blick nicht wirklich zusammen vorstellen kann, nämlich die „alte“ Musik mit Dudelsack und Flöte usw. mit Metal. Wie kommt man auf so eine Idee, bzw. was war der Impuls dafür?

Beide Arten der Musik sind schon lange eine Leidenschaft von mir. 1991 gründete ich meine erste Death-Metal Band und spiele auch schon länger traditionelle keltische Volksmusik und irgendwie habe ich eine tiefe Leidenschaft für beides und spiele beides auch wahnsinnig gerne. Ich hatte schon immer das Empfinden, dass es gut zusammen funktioniert. Es gibt keine großen Unterschiede zwischen den Griffen des heutigen Metal-Gitarristen und des damaligen Bouzouki-Spielers in der traditionellen indischen Musik, es liegt näher zusammen als man denkt.
Der Grund, warum ich die Band gründete war, dass ich meine beiden Leidenschaften zusammenbringen wollte.

Ihr tourt ja über den ganzen Globus. Wenn man mal das Publikum aus Indien oder Israel mit dem Publikum aus Sao Paolo, der Schweiz oder Deutschland vergleicht, gibt es Unterschiede?`

Ich finde es lustig, dass du gerade nach Indien fragst, ich kriege die Frage in vielen Interviews gestellt aber Indien war noch nie dabei (lacht). Trotzdem ist die Metal-Szene die Metal-Szene. Ob du jetzt in China oder New York spielst: Metal has enough Metal-Heads! Das Publikum ist nicht so sehr anders.
Man merkt schon die kulturellen Unterschiede, es ist trotzdem nicht extrem anders. Es gibt ein paar Länder – wie Indien zum Beispiel – die funktionieren komplett anders. So etwas habe ich noch nie gesehen, ich habe mich wie auf einem anderen Planet gefühlt.

Kannst du mal kurz erläutern, wie anders es ist?

Wie gesagt, kulturell ist es komplett anders. Es war eine relativ große Sache letztes Mal 2010. Es war eine sehr große Bühne, größenmäßig – ich weiß nicht – kennst du vielleicht das Summer Breeze? So eine ähnliche Größe, nur dass sie komplett aus Bambusstämmen gebaut war. Es waren irgendwas zwischen 20.000 und 25.000 Leuten da.
Vorne rechts an der Bühne gab es einen sehr großen, abgesperrten Bereich, der bestuhlt war. Das war für die muslimischen Gäste. Die haben sich das Konzert sitzend angeschaut, haben sich nach diesem aber auf die Stühle gestellt und applaudiert. Nebendran haben sie geheadbangt und eine Wall Of Death gemacht und alles, was man halt auf einem Metalkonzert macht. Es ist schon anders.
Die Leute waren extrem ausgelassen, irgendwann während des Konzertes als wir Inis Mona spielten, kamen plötzlich bewaffnete Militärs auf die Bühne gerannt, selbst im Fotograben standen sie mit Knarren da. Auf jeden Fall kamen sie auf die Bühne und haben uns gepackt und von der Bühne gezerrt. Man kriegt natürlich erst mal Schiss, wir wussten ja nicht, was passiert, weißt du. Da haben wir gefragt: „Ey, was ist jetzt los“ und da haben sie uns in eine Art Bunker hinter der Bühne gebracht und man hat uns gesagt, dass es aus Sicherheitsgründen ist, weil die Leute zu ausgelassen waren. Scheinbar wurden die so wild, dass sie irgendwie Barrikaden nieder zu reißen begannen und sich nach vorne drückten. Das wurde bei der großen Menschenmasse natürlich gefährlich. Wir mussten das Konzert also wirklich unterbrechen. Eigentlich hat es gehießen, dass wir aufhören sollten, aber wir wollten es zu Ende spielen. Dann wurde eine halbstündige Pause eingelegt und dann konnten wir wieder auf die Bühne und das Konzert zu Ende spielen. Sowas passiert wirklich nicht an vielen Orten auf der Welt.

Das Interview wurde von Gerd und Frank Schwalm geführt und nachträglich niedergeschrieben.  Eine Veröffentlichung durch Dritte ist untersagt.